Eine schwangere Freundin von mir erzählte mir einmal, was eine Bankangestellte „Nettes“ zu ihr gesagt hatte: „Sie bekommen einen Jungen. Bei einem Jungen wird die Mutter während der Schwangerschaft hässlicher.“ Ganz schön beleidigend, nicht wahr? Aber solche ungewollten Orakeleien und Ratschläge müssen sich schwangere Frauen ständig anhören. Meistens belächeln wir sie, fragen uns aber doch gelegentlich, ob etwas an diesen Ammenmärchen dran sein könnte. Dann wollen wir doch mal ein paar der beliebtesten Schwangerschaftsmythen näher beleuchten.
- Ein Spitzbauch bedeutet, Sie bekommen einen Jungen. Die Geschlechtsbestimmung ist das Thema schlechthin, entsprechend gibt es eine ganze Bandbreite an Signalen, anhand derer man angeblich ablesen kann, was es wird: Spitzbauch oder Kugelbauch, Heißhunger auf bestimmte Nahrungsmittel, eine hohe fetale Herzfrequenz und vieles mehr. Es ist sicher ganz amüsant, so auf das Geschlecht des Babys schließen zu wollen, aber dass diese Signale wirklich Aufschluss darüber geben, ist nicht erwiesen. Das Geschlecht wird bei der Zeugung festgelegt, und außer mit Ultraschalluntersuchungen oder Gentests können Sie vor der Geburt nicht sagen, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Ach ja: Dass Sie einen Spitzbauch haben, bei dem das Baby weiter unten liegt, kann damit zusammenhängen, dass Ihre Bauchmuskeln nicht so stark oder so durchtrainiert sind wie bei einigen anderen Frauen. Oder vielleicht ist bei Ihnen eine gewisse Körperform schlichtweg Veranlagung.
- Sie dürfen die Arme nicht nach oben strecken, sonst verwickelt sich das Baby in der Nabelschnur. Wäsche aufzuhängen oder sich nach einem hohen Regalfach zu strecken ist damit quasi tabu. In Jamaika sollen Frauen nicht über das Seil steigen, mit dem Esel angebunden sind, sonst wickelt sich die Nabelschnur fest um den Hals des Babys. In Sizilien reicht es angeblich schon, einen Schal zu tragen, um dieses Problem heraufzubeschwören. Und bei den Navajo-Indianern soll das passieren, wenn die Frau mit gekreuzten Beinen sitzt. Wir können Sie beruhigen: Zum Zeitpunkt der Geburt hat die Nabelschnur eine Länge von etwa 50 cm, ist also lang genug, dass sich das Ungeborene während der Schwangerschaft und der Geburt bewegen und drehen kann, ohne sie zu verknoten oder sich in ihr zu verheddern. Zu richtigen Nabelschnurknoten kommt es nur bei sehr wenigen Schwangerschaften.
- Sodbrennen deutet darauf hin, dass Ihr Kind mit vielen Haaren zur Welt kommen wird. An diesem Schwangerschaftsmythos könnte in der Tat etwas dran sein. Es gibt eine Studie, die herausgefunden hat, dass mehr als 80 % der Babys, deren Mütter während der Schwangerschaft unter leichtem bis schwerem Sodbrennen litten, mit viel Kopfhaar zur Welt kamen. Das könnte mit den Hormonen zusammenhängen, die nicht nur das Wachstum beeinflussen, sondern auch Veränderungen im Körper der Mutter einleiten, um für eine gesunde Schwangerschaft zu sorgen.
- Sie dürfen während der Schwangerschaft nicht baden. Wenn Sie Ihren Babybauch komplett in Wasser eintauchen, ertrinkt Ihr Baby angeblich. Das stimmt natürlich nicht. Ein allzu heißes Bad ist vielleicht nicht so gut und lässt Ihre Körpertemperatur zu stark ansteigen, aber ein warmes Bad eignet sich sehr gut dafür, Schwangerschaftsschmerzen zu lindern. Vielleicht wurde Ihnen auch davon abgeraten, ein Bad zu nehmen, nachdem Ihre Fruchtblase geplatzt ist und die Wehen eingesetzt haben, da das Infektionsrisiko erhöht ist. Studien haben ergeben, dass dem nicht so ist und dass selbst Wassergeburten unbedenklich sind.
- Wenn Sie Heißhunger auf ein bestimmtes Nahrungsmittel haben, verlangt Ihr Ungeborenes danach. Sie haben Hunger auf scharfes Curry? Da spricht dann wohl Ihr Baby aus Ihnen. Nein, nicht wirklich. Wenn Sie häufig scharfe Gerichte essen, kann es schon sein, dass Ihr Baby diese auch mag. Das Fruchtwasser schmeckt nach dem Essen, das die Mutter zu sich nimmt, und nimmt insbesondere starke Aromen, wie etwa von Knoblauch und Peperoni, auf. Es wird auch angenommen, dass Sie Appetit auf bestimmte Nahrungsmittel bekommen, weil Ihr Körper gewisse Nährstoffe braucht, aber das ist nicht wissenschaftlich bewiesen.
- Sex löst Wehen aus. Normalerweise ist Geschlechtsverkehr während der Schwangerschaft sicher und kann zwar ein paar leichte Gebärmutterkontraktionen, aber nicht unbedingt Wehen auslösen. Es kann allerdings sein, dass Sex die Sache ins Rollen bringt, wenn Ihr Körper schon für die Geburt bereit ist. Zusammen mit den Prostaglandinen im Sperma kann das Oxytocin, das beim Orgasmus ausgeschüttet wird, den Muttermund weich machen und so regelmäßige Kontraktionen auslösen.
Damals, als es noch keine moderne Medizin gab, machten Ammenmärchen das Unbekannte verständlicher. Heutzutage stehen uns Ultraschalluntersuchungen und vielerlei medizinische Tests zur Verfügung, um die Entwicklung des Babys zu überwachen und die Schwangerschaft und den Geburtsvorgang zu verstehen. Die alten Schwangerschaftsmythen halten sich aber trotzdem hartnäckig und sind weitverbreitet. Vielleicht versuchen wir, mit ihnen die verschiedenen Signale, die unsere Körper während der Schwangerschaft aussenden, irgendwie einzuordnen und zu kategorisieren. Oder sie sind einfach interessante Überbleibsel aus der Vergangenheit, die uns miteinander ins Gespräch bringen und die Schwangerschaft noch spannender gestalten.
Was sind die haarsträubendsten Schwangerschaftsmythen, die Sie je gehört haben? Teilen Sie sie mit uns!
Geschrieben von Michelle: Autorin, Redakteurin, Lamaze-Ausbilder, Laktationsberaterin, und Mutter von 4 Kindern
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